Ein Bericht von Klaus – Uwe Hölscher, Leer

Der Ort Beelitz, den wir wegen seiner heute noch erhaltenen historischen Dampftechnik näher kennen lernen wollen, liegt im Landkreis Potsdam – Mittelmark im Land Brandenburg. Die Mark Brandenburg war die Keimzelle Preußens. Noch heute sind für diese Landschaft die ausgedehnten Kiefernwälder und Heideflächen charakteristisch. In trockenen Sommern besteht für diese Gegend eine besonders hohe Waldbrandgefahr.

Der Verfasser dieses Artikels, der eigentlich ein „Wessi“, aber auch ein „Ossi“ ist, weil er in Ostfriesland wohnt, erinnert sich beim Begriff „Mark“ diesmal nicht an die von ihm geschätzte „Deutsche Mark“ als  Geldwährung, sondern an ein heute weniger bekanntes Wanderlied mit dem Text: „Märkische Heide, märkischer Sand, sind des Märkers Freude, sind sein Heimatland.“ Nähern wir uns unserem Ziel aber nicht auf „Schusters Rappen“, also zu Fuß, sondern bequemer per Regionalexpress. In ca. 45 Minuten von Berlin aus erreichen wir den Bahnhof „Beelitz – Heilstätten“.

Hier wurden zwischen 1898 und 1930 von der Landesversicherungsanstalt Berlin Lungenheilstätten und Sanatorien errichtet, da die Tuberkulose gegen Ende des 19. Jahrhunderts schlimme Ausmaße angenommen hatte. Dies war hauptsächlich eine Folge der Industriellen Revolution, die bei einer ständig wachsenden Bevölkerung zu teilweise katastrophalen Verhältnissen in den Bereichen Wohnung, Ernährung, Hygiene, Arbeitsplatz und Entlohnung führte. Tuberkulose heißt im Volksmund „Schwindsucht“. Insbesondere bei Arbeitern und Tagelöhnern forderte diese Volksseuche zahlreiche Opfer. Die Entdeckung des Tuberkel – Bazillus durch Robert Koch im Jahre 1882 war ein Meilenstein bei der Bekämpfung dieser Krankheit.

60 Gebäude auf 200 Hektar

Die inmitten des Beelitzer Stadtwaldes gelegenen Heilstätten waren einer der größten Krankenhauskomplexe in der Umgebung von Berlin und sind heute das größte Flächendenkmal Brandenburgs. Das Gelände umfasste ca. 200 Hektar und heute stehen auf dem Areal noch über 60 Gebäude  unter Denkmalschutz. Der Landkreis Potsdam – Mittelmark, die Stadt Beelitz und der Förderverein Heiz- Kraft- Werk- Beelitz-Heilstätten e.V. sind bemüht, das Gesamtensemble vor dem Verfall zu retten und mit neuem Leben zu erfüllen.

Führende deutsche Krankenhausarchitekten haben in drei Bauphasen den umfangreichen Komplex entworfen und errichten lassen. Außer den Sanatorien wurden zahlreiche Betriebs- und Versorgungsgebäude erstellt. Während der beiden Weltkriege dienten die Heilstätten als Lazarette für das Militär. Nach 1945 fungierten sie als zentrales Militärhospital für die Westgruppe der sowjetischen Truppen. 1994 begann der Abzug der Sowjets aus Beelitz und das Gelände wurde an die Landesversicherungsanstalt Berlin als Eigentümerin zurückgegeben. Die LVA jedoch konnte das Gesamtensemble nicht erhalten bzw. sanieren.

Hier einige Ausschnitte aus der Broschüre „Das HeizKraftWerk Beelitz – Heilstätten. Ein Klassiker der Moderne. 2. Auflage 2009“: „Neben der sehr guten Anbindung an Berlin und an das Potsdamer Umland bot eine Einrichtung in einem ausgedehnten Waldgebiet die notwendigen klimatischen Voraussetzungen für die Versorgung der Patienten, ruhig und windgeschützt in einer rauch- und staubfreien Umgebung. Die Musteranlage Beelitz – Heilstätten dokumentiert die Anforderung an den Bau spezieller Heilstätten. Die Kranken lagen in Zimmern, die sämtlich nach Süden ausgerichtet waren, und konnten auf Balkonen die frische Luft in Ruhe wirken lassen. Breite Flure waren als Kommunikationsorte für die Genesung wichtig, konnten doch so die sozialen Kontakte erhalten werden. Die Therapieräume für Inhalationen und physikalische Anwendungen sowie die Diensträume für Ärzte und Schwestern lagen in den Nordbereichen der großzügigen Bauten.“

Heiz- und Maschinenhaus

Warum ist ein Besuch in Beelitz für Freunde historischer Dampftechnik interessant und empfehlenswert? Dazu heißt es in der Broschüre: „Kernstück der technischen Infrastruktur war das in der Nähe des Bahnhofes gelegene Heiz- und Maschinenhaus. Das Heizkraftwerk mit seinem charakteristischen 45 Meter hohen Wasserturm gilt als eine der ältesten, heute  noch im technischen Verbund erhaltenen Anlagen der Kraft- Wärme – Kopplung. Das Heizkraftwerk versorgte das gesamte Heilstättengelände über ein unterirdisches, mehr als 10 km langes Kanalnetz mit Wärme und Elektroenergie sowie mit Trink- und Warmwasser. Diese zentrale Energie- und Wärmeversorgung ermöglichte es, in den Krankenpavillons auf rußende und staubende Heizungsanlagen zu verzichten. Zur Heizkraftanlage gehören das Kesselhaus Nord, das Kessel- und Maschinenhaus Süd, der Wasserturm, 4 Pumpenhäuser und der Gleisanschluss. Das unterirdische Kanalsystem vervollständigt das technische Denkmal.“

Unsere Aufmerksamkeit soll dem Kesselhaus Süd und den Räumen neben dem Wasserturm gewidmet sein. Der um 1900 erbaute Wasserturm hat ein Fassungsvermögen von 250 000 Litern und wurde von vier Pumpenhäusern versorgt. Im Kesselhaus sind fünf Kessel installiert. Sie dienten der Dampferzeugung für die Dampfmaschinen und Turbinen der Heilstätten. An der Stirnseite der Kessel sind noch die Schüttvorrichtungen zu sehen, mit denen die per Eisenbahn herangeschaffte Steinkohle in die Feuerbüchsen unter den Kesseln eingefüllt wurde.

Borsig, BBC und AEG

Am eindrucksvollsten dürfte die Halle sein, in der sich jeweils zwei Dampfmaschinen und Dampfturbinen befinden. Die beiden stehenden Zweikurbel – Verbund – Gegendruck- Dampfmaschinen mit Schiebersteuerung wurden um 1900 von der Berliner Firma August Borsig gebaut. Mit einer Leistung von jeweils 150 PS trieben sie bis zur Stilllegung im Jahre 1976 einen direkt gekoppelten Gleichstromgenerator an: Firma AEG, Leistung: 240 – 300 V, 340 – 280 A, ca. 85 kW. Parallel zu dieser Kombination von zwei Dampfmaschinen und zwei Gleichstromgeneratoren sind zwei Dampfturbinen – Drehstromgenerator – Kombinationen im selben Raum zu besichtigen. Die beiden Dampfturbinen wurden 1929 von der Firma Brown Boveri & Cie in Mannheim gebaut. Die angeschlossenen Drehstromgeneratoren stammen aus demselben Baujahr. Somit sind hier eindrucksvolle Aggregate gewissermaßen aus zwei Generationen vereinigt. Die mit 150 U/min. arbeitenden Dampfmaschinen als Langsamläufer stehen den beiden Entnahme – Kondensations – Turbinen als Schnellläufer mit 3 000 U/min. gegenüber. An den Wänden der Maschinenhalle befinden sich die Gleichstrom- und Drehstrom – Hauptschalttafeln zur Steuerung der Stromerzeugung. Bis 1976 waren die Anlagen in Betrieb.

Dieses gesamte technische Ensemble konnte ich in Ruhe besichtigen und fotografieren, während es draußen unablässig regnete, was sicher dem märkischen Sandboden gut tat. Mein Dank gilt Herrn Gerd Ohligschläger vom Bauamt Beelitz, der die Besichtigung ermöglichte, und Frau Irene Krause, die als Gästeführerin mich vom Bahnhof Beelitz abholte und mir die denkmalgeschützten Gebäude aufschloss.